Ein ganz leichter Ruderschlag auf Backbord lässt unser Boot mittig in der von roten Bojenketten gesäumten Ruderbahn liegen. Es ist bereits warm am Morgen, heute weht nur ein leichter Wind. Wir sind am Start, konzentrierte Ruhe umgibt mich.
Ich sitze auf meinem Rollsitz im 18m langen Achter, 1000m glattes Wasser liegen zwischen Start und Ziel. Ich sehe auf den Rücken meiner Vorderfrau. Sie ist wie wir anderen sieben Ruderinnen bereits in Startposition. Die Arme gestreckt, den Oberkörper gerade und leicht nach vorne gebeugt, das Ruderblatt ins Wasser gesteckt, den Blick nach vorn gerichtet, volle Konzentration.

Ich sehe die Startampel vor uns, sie geht auf Rot. Gleich wird der Schiedsrichter die Nationalitäten der Bootsmannschaften aufrufen, das Startkommando geben und die Ampel auf Grün springen.

“England, France, Switzerland, Germany – Attention – go!”

Schnelle, kräftige und vor allem gemeinsame Ruderschläge schieben unser Boot an, unsere Steuerfrau zählt die Schläge mit und feuert uns an.
Jetzt bloß nicht zu den Gegnerinnen schauen, den Blick im Boot halten.
Die ersten 250m sind geschafft, mein Atemrhythmus ist durcheinander. Er normalisiert sich nach kurzer Zeit wieder, und ich merke, wie unser Team in einen wunderbaren Flow kommt, wir haben unseren Rhythmus gefunden und bringen das Boot in Richtung Ziel.
„500 m sind geschafft“ höre ich die Steuerfrau sagen, die uns die gesamte Strecke über mit ihren Ansagen motiviert. Ich bin inzwischen in einem inneren Tunnel.
„Noch 250 m, wir setzen zum Endspurt an, wir liegen vorn!“ unsere Steuerfrau treibt uns an.
Den Vorsprung lassen wir uns nicht mehr nehmen, Kräfte werden mobilisiert, die Schlagfrau erhöht die Schlagzahl nochmals. Alle möchten gewinnen, die Beine nochmals durchdrücken, im Rhythmus bleiben – es dauert weitere 20 Schläge, bis ich das Tuten beim Passieren der Ziellinie höre.
Wir haben gewonnen! Gemeinsam, mit Spaß, Konzentration und Kraft. Was für eine wunderbare Teamleistung! Schwer atmend und voller Freude jubelnd rudern wir zum Siegersteg und holen uns unsere Goldmedaillen ab.

Mehr als körperliche Kraft

Natürlich spielt beim Sport die körperliche Kraft eine wichtige Rolle. Doch oft gewinnen Außenseiter und Mannschaften verlieren, die zuvor aus Einzelsportler*Innen zusammengesetzt wurden.

Erfolgsfaktoren fürs Team

Körperliche Kraft kombiniert mit der eigenen inneren Einstellung, Spaß, Konzentration und dem Teamspirit ergeben den nötigen Schub.

Individuelle innere Einstellung

Es ist bekannt, dass erfolgreiche Sportler*innen auf die Mentalkraft setzen. Vor dem Wettkampf spielen sie vor ihrem geistigen Auge den erfolgreichen Ablauf wie einen Film ab. Das weckt Kräfte, motiviert und fokussiert.
Diese Methode des positiven Denkens ist weit bekannt und wird von Coaches auch außerhalb des Sports eingesetzt.
Noch wirksamer und zielführender ist es, die eigenen inneren Hemmnisse und Glaubenssätze kennen zu lernen und sie zu verändern. Jeder hat Gedanken, die entweder förderlich sind oder blockierend. Die blockierenden zu entdecken, sie zu verstehen und zu verändern lohnt sich.

Spaß

Bei früheren Rennen hatte ich am Start Angst, die mir die Kraft regelrecht aus dem Körper entzog.
Angst, zu versagen, mich lächerlich zu machen und sogar Angst, zu gewinnen. Das hört sich mehr als lächerlich an. Wer hat Angst davor, zu siegen?
Als Siegerin, als Erste macht man sich angreifbar, zeigt sich und es entstehen Zweifel, ob man den Sieg verdient hat.
Das Motto unseres Teams ist „gemeinsam Spaß haben!“ und die innere Einstellung am Start:
Ich wünsche mir, dass das Rennen los geht, und ich setze meine Kraft ein.

Konzentration

Anspannung und Stress führen dazu, dass wir nicht mehr konzentriert sind, sondern uns im Außen befinden. Wir beschäftigen uns mit Anderen und vergleichen uns. Und das macht bekanntlich unglücklich und nervös. „Wie sehen die Gegnerinnen aus? Haben die trainiert?“ Ein gewisses Maß an Lampenfieber ist wichtig, um auf Betriebstemperatur zu kommen, um Leistung abrufen zu können. Doch dazu benötigen wir vor allem die innere Konzentration. Wir sind in unserem eigenen Boot und können nur das gemeinsam bewegen. Der Blick nach außen lenkt ab und bringt uns aus dem Rhythmus.
Konzentration bedeutet, Kräfte fokussieren, bei sich bleiben, sich selbst wichtig nehmen. Dann stellt sich Selbstvertrauen ein.

Teamspirit gewinnt

Spaß, Konzentration und eine positive Einstellung entstehen, wenn Vertrauen im Team herrscht.
Was hilft? Offenheit, Selbstreflektion, Empathie und die Fähigkeit, auch mal einen Schritt zurück treten zu können, sind Bausteine der Kooperation.
Und das wiederum bedingt sich selbst. Denn in einem Team, in dem ein guter Teamgeist weht, bin ich motiviert, habe Spaß, bin auf die Aufgabe konzentriert und kann mich zeigen, so wie ich bin.